"Alle Jahre wieder..." oder wie alles begann

Seit über 40 Jahren verbringt Sr. Helene Heiligabend mit Menschen am Rande der Gesellschaft, mit Obdachlosen, mit Frauen vom Strich und mit Jungen und Mädchen, die kein Zuhause mehr haben oder nicht mehr dorthin zurück möchten. Für Sr. Helene ist dies kein Opfer, sondern Ausdruck praktizierter Nächstenliebe.

Es begann vor über 40 Jahren: Kurz vor Weihnachten wurde das Gefühl in Sr. Helene immer größer, daß sie an Heiligabend die Menschen dort aufsuchen müsse, wohin sie verstoßen worden waren. So kaufte sie kräftig ein, um ihnen eine Freude zu bereiten. Sie bat auch die Gemeindekreise, ihr mit warmer Kleidung zu helfen. Hinzu kamen Kuchen, belegte Brote und Thermoskannen mit Kaffee und Tee. Neben der Heiligen Schrift fand auch noch das Keyboard einen Platz in ihrem Wagen.

Zunächst fuhr Sr. Helene in die Bordellstraße, aber dort war alles wie ausgestorben und die Zimmer standen leer. Sie suchte nach den Einsamen und Verlassenen, aber dort, wo sie sie sonst traf, war niemand. Auch die Kneipen waren fast alle geschlossen. Selbst hinter dem Bahnhof, wo sie sonst immer die Ärmsten der Armen traf, war an jenem Tag niemand zu sehen. Da ließ Sr. Helene ihren Wagen stehen und ging durch den langen Tunnel in den Bahnhof hinein. Dort fand sie schließlich die Menschen, nach denen sie gesucht hatte.

Sr. Helene sah, wie sich frierende Menschen in den Toiletten drängten, weil es dort etwas wärmer war. In den Ecken und Nischen des Bahnhofs hockten sie, tranken, schliefen und warteten angstvoll auf die Polizei, die sie wohl aus dem Bahnhof weisen oder einsperren würde. Doch die Bahnhofspolizei war an diesem Abend großzügig und vertrieb keinen.

Sie sprach den Obdachlosen Trost und Mut zu. Jeder bekam dann ein Geschenk von ihr und sie verkündete die Botschaft von Weihnachten: "Euch ist heute der Heiland geboren". Bald drängten sich viele in der Ecke des Bahnhofs, wo Sr. Helene nun auch heissen Kaffee und Tee ausschenkte. Als die Lebensmittel aufgebraucht und die warmen Sachen verteilt waren, stellte sie ihr Keyboard auf und man sang gemeinsam Weihnachtslieder. Die Menschen verstanden Schwester Helenes Weihnachtsbotschaft von Frieden und Liebe, weil sie hier gelebt und nicht nur demonstriert wurde.

Einer der Bahnhofspolizisten, der das Geschehen beobachtete, bat Schwester Helene: "Bitte, kommen Sie doch nächstes Jahr wieder!" Dies war die Geburtsstunde der alljährlichen Weihnachtsfeier, die inzwischen im "Alten Wartesaal" unter dem Bahnhof stattfindet. Heute - 43 Jahre nach der ersten Weihnachtsfeier - kommen bis zu 500 Obdachlose, Bedürftige und all diejenigen, die nicht wissen wohin. Dank der Unterstützung des Eigentümers, der den Saal unentgeldlich zur Verfügung stellt, und Dank einer Reihe von Sponsoren ist es gelungen, diese großartige Weihnachtsfeier über die Jahre hinweg durchzuführen.

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